Alternativvariante
Zu einer Textstelle als weitere Realisierung dieser Textposition platziertes Wort, Textstück o. ä., das die Form eines neuen Vorschlags aufweist, da die erste Formulierung nicht getilgt ist. Im weiteren Verständnis sind beide Textelemente, die erste Formulierung wie der neue Vorschlag, als Alternativvarianten aufzufassen.
Explikation
Häufiger belegt ist die Alternativvariante zum Beispiel bei Friedrich Hölderlin oder Annette von Droste-Hülshoff. Bei Letzterer stellt sie ein Grundphänomen des Schreibprozesses dar, tritt bis in Reinschriften hinein auf und kann neben der gängigen Form der nachträglichen Hinzufügung auch sofort nach Niederschrift der ersten Formulierung innerhalb der Zeile vorgenommen sein; sowohl der neue Vorschlag als gelegentlich auch die erste Formulierung können dabei durch Abgrenzungs- bzw. Zugehörigkeitsmarkierungen ausgezeichnet sein. Weitere textuelle Realisierungen können auch von anderer Hand erfolgt sein und dabei als autorisierte Variante oder als Fremdvariante auftreten; siehe z. B. die von Goethe gewünschte Durchsicht seines Versepos ‚Hermann und Dorothea‘ durch Johann Heinrich Voß d. J., dessen Vorschläge Goethe aber letztlich nicht übernahm.
Forschungsbericht
Siehe auch
- Baldkorrektur
- Durchsichtskorrektur
- Revision
- Revisionsvariante
- Sofortkorrektur
- Sofortvariante
- Spätkorrektur
- Spätvariante
- Variante
- Variation
Literatur
- Hurlebusch, Klaus, [Abschnitt:] Typologische Änderungsbefunde und ihre Termini, in: Friedrich Gottlieb Klopstock: Werke und Briefe. Historisch-kritische Ausgabe, begründet von Adolf Beck, Karl Ludwig Schneider und Hermann Tiemann, hg von Horst Gronemeyer, Elisabeth Höpker-Herberg, Klaus Hurlebusch und Rose-Maria Hurlebusch, Abt. Addenda, Bd. 2: Klopstocks Arbeitstagebuch, hg. von Klaus Hurlebusch, Berlin, New York 1977, S. 196–203.
- Kraft, Herbert, Die Edition fragmentarischer Werke, in: LiLi. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 5, 1975, H. 19/20: Edition und Wirkung, hg. von Wolfgang Haubrichs, S. 142–146.
- Kraft, Herbert, Editionsphilologie. Mit Beiträgen von Jürgen Gregolin, Wilhelm Ott und Gert Vonhoff, unter Mitarbeit von Michael Billmann, Darmstadt 1990.
- Kraft, Herbert, Editionsphilologie. Zweite, neubearbeitete und erweiterte Aufl. mit Beiträgen von Diana Schilling und Gert Vonhoff, Frankfurt am Main u. a. 2001.
- Nutt-Kofoth, Rüdiger, Zwischen Autorstreichung und Fremdstreichung. Zum Problem des Schreibens in Alternativen bei Annette von Droste-Hülshoff – mit allgemeinen Überlegungen zur Systematisierung der ‚Streichung‘, in: Schreiben und Streichen. Zu einem Moment produktiver Negativität, hg. von Lucas Marco Gisi, Hubert Thüring und Irmgard M. Wirtz, Göttingen, Zürich 2011 (Beide Seiten. Autoren und Wissenschaftler im Gespräch. 2), S. 111–130.
- Nutt-Kofoth, Rüdiger, Variante, Lesart, Korrektur oder Änderung? Zum Problem der Synonyme in der neugermanistischen Editionsphilologie, in: Editorische Begrifflichkeit. Überlegungen und Materialien zu einem „Wörterbuch der Editionsphilologie, hg. von Gunter Martens, Berlin, Boston 2013 (Beihefte zu editio. 36), S. 113–124.
- Plachta, Bodo, Editionswissenschaft. Eine Einführung in Methode und Praxis der Edition neuerer Texte, 3., ergänzte und aktualisierte Auflage, Stuttgart 2013 (1997).