Revision

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lat. revisere ‘wieder betrachten/aufsuchen’

Der Terminus umfasst sowohl die prüfende Durchsicht als auch die schriftliche Überarbeitung eines Textes mit dem Ziel, diesen formal und inhaltlich zu optimieren, damit er seinen kommunikativen Zweck bestmöglich erfüllt.


Explikation

1) Speziell während eines genuinen Schreibprozesses findet stets gleichzeitig ein fortlaufender Revisionsprozess statt, wenn die Formulierung des Textes vor der Niederschrift im Geiste oder mündlich optimiert wird (sog. Prätextrevisionen), jedoch wird in der Regel nur das Endergebnis materialisiert. Eine Ausnahme bildet das Schreiben in einer Art Laborsituation, bei der der Schreibprozess von der schreibenden Person kommentiert wird, vgl. ‘think aloud’-Protokolle als Datenerhebungs- resp. Untersuchungsmethode der Schreibprozessforschung.


2) Materiell manifestieren sich Revisionen als (mehr oder weniger invasive) Änderungsspuren, die sich auf den zuvor niedergeschriebenen Text beziehen und dabei sichtbar geblieben oder (im Laufe der Zeit und ev. unter Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel) wieder sichtbar geworden sind. Als diverse Revisionshandlungen schlagen sie sich im Falle analogen Schreibens in Form von Textrevisionen nieder. Textkritisch betrachtet stellen diese Textänderungen Revisionsvarianten dar, die zumindest aus der Sicht der revidierenden Person gegenüber der Vorstufe höherwertig sind.


3) Nicht jede Revisionshandlung stellt (notwendigerweise) eine Korrektur im Sinne der Beseitigung eines formalen oder sachlichen Fehlers dar; sie kann auch Teil einer allgemeinen Textoptimierung sein (z. B. hinsichtlich einer adressatenorientierten Stilanpassung oder begrifflichen Präzisierung). In Summe können Revisionen (insbesondere Revisionsvarianten) zur Etablierung einer neuen Textfassung beitragen.


4) Revisionen treten auf in Form von Tilgung, Einfügung, Ersetzung und Umstellung: Diese Revisionshandlungen bedienen sich verschiedener schreibtechnischer, aber z. T. traditioneller (häufig aus der Antike übernommener) Revisionszeichen.


Revisionen führen bereits während des Schreibens laufend oder nach Abschluss des Schreibprozesses in einem oder mehreren Durchgängen durch den Schreiber selbst oder andere Personen (Korrektor, Lektor) zu entsprechenden Textänderungen und legen sich dabei mitunter in mehreren Schichten an und über den Text (Grundschicht, Revisionsschicht, Schichtungen); je nachdem, wer die Revision vornimmt, unterscheidet man anhand der Schriftzüge zwischen Autorrevision, Auto-Revision und Fremdrevision; abhängig davon, in welcher Phase eines Schreibprozesses eine Revision stattfindet, unterscheidet man zwischen Sofortrevision und Spätrevision.

Auch wenn Revisionsspuren das ästhetische Erscheinungsbild eines Schreibproduktes mehr oder weniger stark beeinträchtigen, zeugen sie jedenfalls von Verantwortung und Sorgfalt gegenüber dem Text und sind daher für die textkritische ( Recensio und Examinatio) und für die werkgenetische Beurteilung von Textüberlieferungen von signifikanter Bedeutung.(1) Deshalb sollten sie in Editionen entsprechend dokumentiert werden.(2)


Literatur

  • Baurmann, Jürgen und Otto Ludwig, Texte überarbeiten. Zur Theorie und Praxis von Revisionen, in: Dietrich Boueke und Norbert Hopster, Hg., Schreiben – Schreiben lernen. Rudolf Sanner zum 65. Geburtstag, Tübingen 1985, S. 254–276.
  • Hofmeister, Wernfried und Andrea Hofmeister-Winter, Hg., Textrevisionen. Beiträge der Internationalen Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft für germanistische Edition, Graz, 17. bis 20. Februar 2016, Berlin und Boston 2017 (Beihefte zu editio. 41).
  • Hofmeister, Wernfried, Astrid Böhm und Helmut W. Klug, Die deutschsprachigen Marginaltexte der Grazer Handschrift UB, Ms. 781 als interdisziplinärer Prüfstein explorativer Revisionsforschung und Editionstechnik, in: editio 30 (2016), S. 14–33.
  • Hofmeister-Winter, Andrea, Beredte Verbesserungen. Überlieferungsphilologische Betrachtungen zu Phänomenologie und Sinnproduktion von Textrevisionen in mittelalterlichen Handschriften, in: editio 30 (2016), S. 1–13.
  • Hofmeister-Winter, Andrea, Revisionen in Handschriften: Editorischer Ballast oder nützliche Hinweise für die Erforschung der Schriftlichkeit? in: Wernfried Hofmeister und Bernd Steinbauer, Hg., Durch aubenteuer muess man wagen vil. Festschrift für Anton Schwob zum 60. Geburtstag, Innsbruck 1997 (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft. Germanistische Reihe. 57), S. 141–158.
  • Nutt-Kofoth, Rüdiger, Variante, Lesart, Korrektur oder Änderung? Zum Problem der Synonyme in der neugermanistischen Editionsphilologie, in: Gunter Martens, Hg., Editorische Begrifflichkeit. Überlegungen und Materialien zu einem „Wörterbuch der Editionsphilologie”, Berlin 2013 (Beihefte zu editio 36), S. 113–124.
  • Wolf, Jürgen, Das „fürsorgliche“ Skriptorium. Überlegungen zur literarhistorischen Relevanz von Produktionsbedingungen, in: Das Mittelalter 7 (2002), S. 92–109.


Referenzen

1 Wolf, S. 92-109.

2 Hofmeister/Böhm/Klug, S. 27, empfehlen eine ‚revisionssensible Digitale Edition'.


hrw